ETHIKKODEX FÜR MULTIMEDIA-JOURNALISTEN

Präambel

Die Multimedia-Ethik stützt und beruft sich auf Artikel 19 der Menschenrechtskonvention (Medienfreiheit) und verpflichtet sich der Wahrung einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ihr liegen die bisher geltenden Journalistenkodizes der Schweiz, Österreichs und Deutschlands zu Grunde. Darauf aufbauend trägt sie den heutigen multimedialen journalistischen Mitteln und Medien Rechnung. Multimediajournalisten und -journalistinnen (im Folgenden wird der Einfachheit halber die männliche Form verwendet, womit Journalistinnen ebenso mit gemeint sind) verpflichten sich zu einer verantwortungsvollen, unbeeinflussten, und umfassenden Information der Öffentlichkeit mit dem Ziel der Meinungsbildung.Daneben bleiben alle bisher geltenden journalistischen Werte und handwerklichen Standards bestehen; sie behalten auch im multimedialen Zeitalter absolute Gültigkeit.Multimedia-Ethik räumt jedem das Recht ein, sich über die Medien zu beschweren. Die Beschwerden sind begründet, wenn die Multimedia-Ethik, die in den folgenden Ziffern inhaltlich näher beschrieben ist, verletzt wird.

1. Sorgfaltspflicht

1.1. Be first and be right and be clean

Der Multimediajournalist informiert wahr und sachlich richtig; falls Fehler passieren, müssen diese so schnell als möglich korrigiert werden. Der Multimediajournalist berichtet clean im Sinne von fair, angemessen und massvoll und wahrt dabei immer die Grenzen der Menschenwürde. Er veröffentlicht keine Informationen aus Quellen, die dem Journalisten oder der Redaktion nicht bekannt sind, und keine sachlich nicht gerechtfertigten Informationen; die Glaubwürdigkeit eines Mediums muss gepflegt werden. Der Multimediajournalist respektiert die Privatsphäre einzelner Personen und bedient sich zur Informationsgewinnung keiner unlauteren Methoden.

1.2.“Think Twice” Prinzip

Trotz Zeitdruck müssen Informationen geprüft und nötigenfalls zurückgehalten werden, bis eine Prüfung erfolgt ist. Der Multimediajournalist verpflichtet sich im Mindesten einer Prüfung der Information vor sich selber, bevor er die Information veröffentlicht. Bereits Veröffentlichtes kontrolliert er laufend, es gilt nach wie vor das Vieraugen-Prinzip.

1.3. Kein Copy-Paste-Journalismus

Der Multimediajournalist respektiert die Leistung Anderer und erstellt kein Plagiat. Quellen werden zitiert und gegebenenfalls um Erlaubnis gebeten. Multimediajournalisten verpflichten sich den geltenden Qualitätsstandards; sie pflegen die Sprache. 1.4.Trennung Information und MeinungKommentare sind von Berichten klar zu trennen und als solche erkennbar zu machen.

2. Recherche

2.1. Recherchemittel

Neue Medien als Recherchemittel bedürfen einer eingehenden Prüfung. Die Quelle muss ersichtlich sein. Der Multimediajournalist hinterfragt Recherche-Informationen aus dem Netz hinsichtlich der Absicht der informierenden Quelle; der Multimediajournalist begegnet Informationen aus dem Netz mit grundsätzlichem Misstrauen.

2.2. Datenschutz

Der Multimediajournalist hält sich an die Gesetze des Urheberrechts. Um seine Quellen zu schützen, prüft er jede Eintragung von persönlichen Informationen in ein CMS auf ihre Erfordernis. Er nimmt eine Güterabwägung vor zwischen Archivierung und Quellenschutz.

3. Umsetzung

3.1. Foto/Audio/Video

Der Multimediajournalist setzt ergänzende Fotos, Töne, Videos sensibel ein. Die technischen Möglichkeiten der neuen Medien und die damit verbundene grössere Suggestivkraft der Inhalte setzen den bewussten Einsatz dieser ergänzenden oder für sich stehenden Darstellungsformen voraus. Der Multimediajournalist ist sich der möglichen verfälschenden Wirkung bewusst und vermeidet diese.

3.2. Text/Sprache

Der Multimediajournalist achtet auf adäquate Sprache und Formulierung, wenn er veröffentlicht – ob privat oder beruflich – und vermeidet jegliche öffentliche Äusserungen, die dem Image des einzelnen Journalisten und damit indirekt auch seinem Arbeitgeber schaden können. Der Multimediajournalist ist sich seiner Rolle auch im Privatleben bewusst. Der Multimediajournalist achtet auf Search Engine Optimierung, allerdings innerhalb ethischer Grenzen: So soll der User nicht getäuscht oder irregeführt werden, Sprache und Inhalt müssen wahr bleiben.

3.3. Blogs/Soziale Netzwerke

Der Multimediajournalist ist sich seiner gesellschaftspolitischen Rolle im Internet auch als Privatperson bewusst. Er legt seine Verbindungen und beruflichen Verpflichtungen offen und macht klar, ob Veröffentlichungen im Namen des Arbeitgebers oder als Privatperson erfolgen. Er bemüht sich auch im privaten Rahmen um eine sachliche Sprache. Der Multimediajournalist verbreitet keine Gerüchte, besondere Vorsicht ist bei Tweets geboten. Retweets sind nur nach Überprüfung der Quelle durch eine unabhängige und seriöse zweite Quelle zulässig. Blogs sind öffentlich und nicht privat, dessen ist sich der Multimediajournalist bewusst. Soziale Netzwerke gelten bei besonders vorsichtigem Umgang und sparsamer Zugänglichmachung als privat.

3.4. Internationalität

Besondere Vorsicht ist bei Berichten über fremde Kulturen und Religionen geboten. Der Multimediajournalist trägt kulturellen Unterschieden mit grosser Sensibilität Rechnung und ist sich der erweiterten Eskalationsmöglichkeiten durch die Internationalität des Internets bewusst.

4. Werbung

Der Multimediajournalist trennt kommerzielle und redaktionelle Inhalte klar voneinander. Werbung kennzeichnet er als solche. Der Multimediajournalist betreibt keine Schleichwerbung und lässt sich nicht für kommerzielle Interessen instrumentalisieren.Der Multimediajournalist verpflichtet sich, Meldungen, Berichte und Reportagen inhaltlich nicht kommerziellen Interessen anzupassen, sondern objektiv und sachlich zu bleiben. Bannerwerbungen dürfen einen inhaltlichen Bezug zu redaktionellen Beiträgen aufweisen, jedoch redaktionelle Beiträge inhaltlich nicht beeinflussen. Werbung für ein multimediales Informationsprodukt ist zulässig. Der Multimediajournalist macht Publireportagen, PR-Artikel oder sonstige redaktionell aufgemachte bezahlte Inhalte grafisch klar erkennbar und kennzeichnet sie als solche. Es gilt der Grundsatz: Transparenz für den User.

5. Erfolgs- und Qualitätskontrolle

5.1. Quote

Der Multimediajournalist unterwirft sich nicht der Quote. Er wägt ab zwischen Relevanz und Interesse des Users. Er trägt aktuellen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen Rechnung, wenn diese von allgemeiner Wichtigkeit sind, jedoch kein Massenpublikum ansprechen. Der Multimediajournalist geht verantwortungsvoll mit Boulevard-Themen um, auch wenn diese eine hohe Quote garantieren könnten.

5.2. Kritik

Der Multimediajournalist kritisiert Beiträge, Sendungen, Inhalte, und seine eigene Leistung muss durch Vorgesetzte oder Kollegen kritisiert werden im Sinne eines professionellen Feedbacks. Die Chefredaktion soll eine regelmässige Kritik des Veröffentlichten möglich machen und die dazu nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Selbstkritik soll institutionalisiert sein und darf im hektischen Multimedia-Alltag nicht untergehen. Jeder Multimediajournalist ist mit dafür verantwortlich, die Chefredaktion auf fehlende Kritik hinzuweisen und gegebenenfalls selber eine Kritik anzustreben.

6. Community

6.1. Kommentare

Der Multimediajournalist lässt grundsätzlich eine Interaktion mit dem User zu. Kommentarfunktionen müssen integraler Bestandteil multimedialer Informationsprodukte sein. Aus Kapazitätsgründen darf darauf der Multimediajournalist darauf verzichten, allerdings nur, wenn dem User die Gründe transparent aufgezeigt werden. Der Multimediajournalist überprüft Kommentare journalistisch, bevor er diese veröffentlicht. Der Multimediajournalist verpflichtet sich, nicht willkürlich zu urteilen. Kommentare, die geltenden Gesetzen widersprechen, dürfen veröffentlicht er nicht. Kommentierende User müssen sich identifizieren – auch hier gilt: Aussagen von Quellen, die der Redaktion nicht bekannt sind, werden nicht veröffentlicht. Bei Themen, die im rechtlichen Sinne heikle oder gar hetzerische Kommentare provozieren, kann im Ausnahmefall auf eine Kommentarfunktion verzichtet werden.Die Chefredaktion multimedialer Informationsprodukte verpflichtet sich, genügend Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um eine angemessene Kontrolle der eingegangenen Kommentare und einen verantwortungsvollen Umgang mit Kommentaren zu garantieren.

6.2. User Generated Content (UGC)

Der Multimediajournalist bezeichnet User-Umfragen klar als nicht repräsentativ, legt die Teilnehmerzahl von Umfragen offen und vermeidet Suggestivfragen in User-Umfragen.Der Multimediajournalist überprüft UGC vor der Veröffentlichung nach den geltenden journalistischen Kriterien und kennzeichnet diesen als solchen. UGC ist nur zulässig, wenn die Quelle bekannt ist. Der Multimediajournalist lässt sich nicht mit UGC für Partikulärinteressen instrumentalisieren; PR-motivierter UGC ist nicht zulässig, es sei denn, es bestünde ein öffentliches Interesse.